Real-Vergleich Euro 5 / Euro 6 Diesel

von Auto Motor und Sport

Exklusiver Real-Abgastest
Wie sauber sind Diesel wirklich?

Vergleichstabelle

Wie viel Stickoxid produziert ein Diesel im realen Verkehr? Welche Abgas-Nachbehandlung arbeitet am besten? Und wie ist ein Benziner im Vergleich? Unsere NOX-Messungen von neun Autos liefern erstaunliche Ergebnisse.

Ein Messsystem für 120.000 Euro, ein ganzer Transporter voller Werkzeug – und dann ist am Schluss handwerkliche Sorgfalt bis ins Detail gefragt. Damit ein schwarzes Plastikrohr perfekt auf das Anschlussstück vom Auspuff passt, muss Techniker Steve die kleine Feile holen: Ein paar überstehende Grate müssen weg. Jetzt noch eine Schraubmanschette anbringen, damit alles hält – und los geht’s.

Steve Hayton und Adam Sawford haben schließlich eine arbeitsreiche Woche vor sich: Die Profis der britischen Firma Emissions Analytics überprüfen im Auftrag von auto motor und sport neun Testwagen auf Stickoxide. Und zwar nicht wie nach heutiger EU-Norm üblich auf einem realitätsfernen Rollenprüfstand, sondern dort, wo ein Auto tatsächlich benutzt wird: auf der Straße.

Sieben Euro-6-Diesel, ein EA-189-Motor und ein Benziner

Das Testfeld besteht im Wesentlichen aus aktuellen Dieselmodellen von BMW, Fiat, Mazda, Mercedes, Opel, Volvo und VW. Alle erfüllen die Euro-6-Norm, haben damit bereits den Beweis erbracht, dass sie auf dem Prüfstand nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) weniger als 80 mg NOX/km ausstoßen. Die Kandidaten nutzen unterschiedliche Verfahren zur Abgasreinigung: NOXSpeicherkat, SCR-Systeme und innermotorische Maßnahmen – entweder einzeln oder in Kombination.

Neben den Euro-6-Modellen fuhr ein Audi Q3 mit dem berühmt-berüchtigten EA-189-Motor mit, dessen Schummelsoftware in den USA den VW-Skandal ausgelöst hat. Für den EA 189 gelten höhere NOX-Grenzwerte (180 statt 80 mg NOX/km), da für den 2007 vorgestellten Motor noch die Euro-5-Norm zählt. Mit dem Ford Mondeo 1.0 Ecoboost haben wir auch einen Benziner mitgetestet. Benziner galten in der Vergangenheit in puncto NOX als weniger kritisch. Speziell bei Downsizing-Motoren steigt der Stickoxid-Ausstoß jedoch durch die höheren Verbrennungstemperaturen an, weshalb uns die Vergleichswerte des Euro-6-Mondeo mit seinem Dreizylinder interessierten. Für Ottomotoren gilt nach Euro 6 ein Grenzwert von 60 mg NOX/km.

Stadtverkehr: Hohe Stickoxid-Werte sind vor allem in der Stadt ein Problem, da viele Verursacher wie Verkehr, Industrie und Privathaushalte zusammenkommen.

Laborwert trifft Realität

Ziel unseres Tests war, festzustellen, um welchen Faktor der Stickoxid- Ausstoß im realen Verkehr über dem Grenzwert liegt. Dass Autos auf der Straße mehr Abgas emittieren, ist gemeinhin bekannt und liegt hauptsächlich an den höheren Lastanforderungen. Die NEFZ-Vorgaben für den Rollen-Test beanspruchen Motoren kaum, da im Schnitt nur 34 km/h gefahren und extrem schwach beschleunigt wird. Zu den praxisfremden Werten kommt es auch, da den Herstellern viel Raum für legales Optimieren eingeräumt wird: Fahren mit extrem hohem Reifendruck, modifizierter Aerodynamik oder speziellen Leichtlaufölen.

auto motor und sport hat die Testwagen jedoch im Serienzustand belassen, ist mit dem empfohlenen Luftdruck und einer auf 22 Grad eingestellten Klimaanlage gefahren. Zudem haben wir mit unserer über 100 Kilometer langen Eco-Runde eine Route gewählt, die wir besonders gut kennen. Seit Jahren ermitteln wir dort mit leichtem Gasfuß den Minimalverbrauchjedes Testwagens. Die NOX- Messfahrten wurden ebenfalls zurückhaltend, aber praxistauglich absolviert: Wir haben zwar nicht so weltfremd-träge beschleunigt, wie es der NEFZ vorschreibt, das Wort „gemütlich“ dürfte den Fahrstil jedoch gut charakterisieren. Selbstverständlich haben wir uns an alle Tempolimits gehalten und sind auf der Autobahn maximal 130 km/h gefahren, wo keine Tempobegrenzung galt. Die Fahrweise beeinflusst das Messergebnis extrem, weshalb wir besonderen Wert auf einen einheitlichen Fahrstil gelegt haben. Durch die Länge der Runde gleichen sich zudem Zufälligkeiten wie Ampelschaltungen aus.

Fiat 500X überbietet NOX-Grenzwert um das 10-fache

Und was kam jetzt raus? Obwohl davon auszugehen war, dass alle Autos über der Euro-6-Grenze liegen, hat uns das Testergebnis dann doch überrascht. Und zwar in mehrerlei Hinsicht: So stieß der Fiat 500X mit seinen 845 mg/km nicht nur mehr als das Zehnfache des Euro-6-Grenzwertes aus, sondern auch fast das Sechsfache des Spitzenreiters VW Golf Variant (148 mg/km). Und das trotz vergleichbarer Abgasnachbearbeitung: Sowohl Golf als auch 500X nutzen einen NOX-Speicherkat.

Im Auto mit den zweitbesten Werten, dem T-Modell der Mercedes C-Klasse, kommt hingegen das aufwendigere SCR-System samt Harnstoffeinspritzung zum Einsatz. Mit 215 mg/km kommt die C-Klasse auf das 2,7-Fache des Grenzwerts. Dritter mit 284 mg/km wurde der Mazda CX- 3, der weder Speicher- noch SCR-Kat besitzt. Mazda nutzt vielmehr innermotorische Maßnahmen wie eine niedrige Verdichtung, bei der weniger Stickoxide entstehen – offenbar mit Erfolg.

Neues Heft auto motor und sport, Ausgabe 25/2015, Vorschau, Preview
Die vollständigen Ergebnisse des ersten unabhängigen NOx-Testes im Fahrbetrieb in Deutschland mit den Teil-Ergebnissen im Stadtverkehr, auf der Landstraße und Autobahn veröffentlicht auto motor und sport in seiner Ausgabe 25, die ab dem 26. November im Handel ist.

Viel Technik = viel Nutzen bei der Abgasreinigung?

BMW setzt beim X5 als Einziger im Test auf die Kombination von SCR- und Speicherkat. Trotzdem fiel das Ergebnis mit 462 mg/km enttäuschend aus – wie auch beim Opel Mokka und beim Volvo XC90 (477 bzw. 498 mg/km). Den absolut gesehen höchsten Wert erreichte der Audi Q3 mit 864 mg/km. Bezogen auf seinen höheren Grenzwert (Euro 5) liegt er mit Faktor 4,8 im Mittelfeld. Der benzinbetriebene Mondeo verfehlte seine Euro-6-Angabe. Absolut gesehen produzierte er zwar die wenigsten Stickoxide, bei ihm fielen jedoch die hohen Werte in der Stadt mit vielen Ampeln und Anfahrsituationen am Berg auf, wo er sogar mehr NOX ausstieß als drei der Diesel. Wir haben nämlich nicht nur den Durchschnittswert aus der gesamten Fahrt errechnet, sondern einzelne Streckenabschnitte (Autobahn, Landstraße, Stadt) separat erfasst. Bei der genauen Analyse der Einzelabschnitte lässt sich auch erkennen, dass schwere Autos wie der Volvo XC90 mit ihren kleinen Zweiliter-Vierzylindern unter Last überproportional hohe NOX-Werte produzieren. Auf der Landstraßen-Passage mit mehreren Tempowechseln liegt der Ausstoß des Volvo deutlich über seinem Mittelwert.

Um die Messresultate untereinander vergleichen zu können, haben wir Regenerationsphasen des Diesel- Partikelfilters aus den Ergebnissen herausgerechnet. Partikelfilter müssen in regelmäßigen Abständen regeneriert, sprich freigebrannt werden. Die hierfür nötigen Nacheinspritzungen erhöhen jedoch die Abgastemperatur und damit den NOX-Ausstoß. Bei unserem Test betraf dies den Mazda und den BMW. Die Hersteller haben wir im Vorfeld übrigens nicht über die Abgasmessungen informiert, um die Möglichkeit von Manipulationen von vornherein auszuschließen. Wir setzten vielmehr Testwagen ein, die ohnehin in der Redaktion waren. Sieger VW Golf absolviert derzeit beispielsweise einen 100.000-Kilometer-Dauertest und kam schon Ende Januar und damit Monate vor Bekanntwerden des VW-Abgas-Skandals zu uns.

Stickoxid-Messungen erst ab 2018 unter realen Bedingungen

Ob ein Hersteller gemogelt hat und eine Software einsetzt, die auf Prüfständen sauberere Abgase produziert, konnte unser Test auf der Straße hingegen nicht feststellen. Selbst die extrem hohen Werte von Schlusslicht Fiat 500X stellen per se noch nichts Verbotenes dar. Erst ab 2018 müssen Hersteller den Stickoxid- Ausstoß ihrer Autos im realen Straßenverkehr begrenzen. Hierfür hat die EU Ende Oktober den Faktor 2,1 beschlossen, mit dem das Auto seinen laschen NEFZ-Wert überschreiten darf. Bei 80 mg NOX/km eines Euro-6-Diesel hieße dies 168 mg. Demnach liegt im Test nur der VW Golf schon unter diesem Wert, Mercedes C-Klasse und Mazda CX-3 kommen in die Nähe, alle anderen sind weit davon entfernt. Was Steve Hayton von Emissions Analytics übrigens keinesfalls überrascht. Nach seiner langjährigen Erfahrung hatte er mit einem solchen Ergebnis gerechnet.

Zoom Abgastest auf der Straße, Audi Q3, AMS2515
Um Abgaswerte während der Fahrt zu messen, bedarf es komplexer Messtechnik. Neben dem eigentlichen Analysegerät sind jede Menge Sensoren gefragt, die Streckenverlauf, Fahrzeug- und Umgebungsparameter aufzeichnen.

Info: So haben wir getestet

Für jedes Auto fertigen die Profis von Emissions Analytics eine Kunststoffzuleitung an, die vom Auspuff in ein waagrechtes Metallrohr mündet. Dort zweigt ein Ventil einen kleinen Teil der Abgase ab, der zunächst getrocknet und dann über einen auf 190 Grad beheizten Schlauch zum Analysegerät auf der Rückbank geführt wird. Der Analyzer, der vor jeder Fahrt mit einem Kalibriergas geeicht wird, untersucht die Abgase mittels verschiedener Verfahren. Bei einem davon werden die Stickoxide dem Gas Ozon ausgesetzt, auf das sie reagieren; infolgedessen senden sie einen Lichtimpuls aus.

Je mehr Licht der Analyzer misst, desto höher sind die Stickoxid-Konzentrationen. Nach dem Messvorgang gelangen die Abgase über einen dünnen Schlauch wieder zurück ins Freie. Das Analysegerät sendet seine Rohdaten an einen Laptop, wo sie von einer Spezialsoftware unter der Berücksichtigung von Begleitparametern wie Außentemperatur, Luftdruck oder -feuchtigkeit abgeglichen und ausgewertet werden. Hierbei lassen sich auch Regenerationszyklen des Partikelfilters erkennen und herausrechnen, da sie die Vergleichbarkeit der Ergebnisse verfälschen. Die Messfahrt wird immer per GPS und Videokamera aufgezeichnet.

Emissions Analytics ist ein unabhängiges privates Prüfinstitut, das sich auf die mobile Abgas- und Verbrauchsmessung von Fahrzeugen spezialisiert hat. Die Experten mit ihrem Firmensitz in der Nähe von London haben in den letzten Jahren bereits über 1.000 Fahrzeuge in Europa und den USA gemessen. Sie kennen sich daher mit den unterschiedlichen Fahrprofilen und gesetzlichen Grenzwerten aus. Der Erfahrungsschatz ist auch bei der Interpretation der Messungen wichtig, da die Analysegeräte Rohdaten ausgeben, die erst im Kontext der Umwelteinflüsse zu Messergebnissen werden.

 

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